Alle Welt ist per Whatsapp erreichbar und es ist "kostenlos" — warum soll man dann etwas anderes benutzen?

In der folgenden Liste unterscheide ich nicht zwischen Whatsapp, Facebook Messenger, Signal, Threema und anderen verbreiteten Messengern, weil sie in den meisten wesentlichen Punkten quasi gleich sind.

  • Zur Nutzung von Whatsapp und anderen Messengern muss man seine Telefonnummer preisgeben. Das ist bei Jabber nicht der Fall.

  • Bei Jabber kann man verschiedene Accounts/Adressen haben — eine private, eine für das Arbeitsumfeld etc. Der Chef muss ja nicht unbedingt sehen, wann man zuletzt online war und welches Profilbildchen man gerade seinen Freunden zeigen möchte.

  • Jabber kann ohne Handy auf dem PC oder Tablet benutzt werden.

  • Whatsapp darf erst ab einem Alter von 13 Jahren benutzt werden (Nutzungsbedingungen Stand März 2018).

  • Jabber erzwingt kein Google-Konto und keinen Datenaustausch mit Google, Facebook oder sonst irgendeinem Unternehmen, dessen Geschäftsprinzip es ist, möglichst viele Nutzerdaten zu Geld zu machen. Man muss sich einfach der Tatsache bewusst sein, dass man diese "kostenlosen" Dienste nicht ohne Gegenleistung bekommt, sondern mit ihnen ein System unterstützt, welches persönliche Daten von Menschen ausnutzt um sie dadurch besser beeinflussen zu können und kommerziell auszunutzen. Diese Zusammenhänge sind wichtig, darum habe ich ihnen eine eigene Seite gewidmet.

  • Rechtlich ist es nur dann zulässig, dass ein Anwender sein gesamtes Telefonbuch durch eine Messenger-App auf den Betreiberserver hochlädt, nachdem er von allen Kontakten in seinem Telefonbuch dazu die Erlaubnis eingeholt hat (1, 2). Vermutlich holt praktisch niemand diese Erlaubnis ein, übermittelt trotzdem private Daten anderer Menschen, verletzt deren Rechte. Auch wenn jemand behauptet, dass die Telefonnummern dabei doch verschlüsselt wären, kennt Whatsapp doch praktisch alle Telefonnummern, weiß genau welche mit welcher anderen bekannt ist, welche davon keinen Whatsapp-Account haben usw. Das lässt sich sicherlich ausnutzen.

  • Jabber ist ein dezentrales und offenes System, so dass man die Freiheit hat, sich seinen Serverbetreiber auszusuchen oder selbst einen Server zu betreiben, ohne aus dem System ausgeschlossen zu werden. Jeder kann nach seinen Kriterien entscheiden: erscheint der Betreiber mir zuverlässig, sicher, vertrauenswürdig oder irgendwie sonst besonders sympathisch?

  • Die Offenheit von Jabber bedeutet auch, dass man Freiheit in der Auswahl des Clients (der App) hat: bietet sie die Funktionen die ich brauche, nervt sie mich (z.B. mit Werbung), hat sie Sicherheitslücken, läuft sie stabil, gefällt sie mir, …

  • Alle Komponenten sind als freie Software verfügbar. Man kann den Quellcode lesen, verändern, benutzen und dazu beitragen wie man es möchte.

  • Sicherheit (Überprüfbarkeit der Verschlüsselung, Angreifbarkeit zentraler Systeme). Derzeit sind Sicherheitslücken und deren Ausnutzung allgegenwärtig, sowohl von offensichtlich Kriminellen, aber auch von Staaten, die sich nicht an ihre eigenen Gesetze halten oder die Gesetze in die von den Herrschenden gewollte Richtung verändern, oder gegen den Geist der Demokratie das Volk beeinflussen. Jabber ist dezentral. Server und Clients liegen im Quellcode vor, können untersucht und selbst zum Einsatz gebracht werden. Auch wenn andere Anbieter angeben "sicher" zu sein — es ist nicht überprüfbar, und eine von irgendwem durchgeführte Prüfung ist letztlich wenig aussagekräftig, denn niemand kann garantieren, dass der geprüfte Code auch so zum Einsatz kommt.

  • in einem SpiegelOnline-Artikel von letztens (2015 oder 2016, habe ich leider nicht mehr gefunden) wurde jemand aus dem deutschen Überwacher-Lager zitiert, der sinngemäß sagte, dass die massenhafte Erfassung und Auswertung von Metadaten letztlich wichtiger ist als der Zugriff auf unverschlüsselte Kommunikation. Die ordentlichen Jabber-Clients können neben der Verschlüsselung auch über Tor genutzt werden, womit auch die manche Metadaten nicht mehr in der üblichen Weise anfallen.

Die Abgeschlossenheit (walled garden, vendor lock in) möchte ich auch mal andersherum darstellen. Was würde jemand halten von einem

  • … Telefonsystem, bei dem man als Telekom-Kunde nur Telekom-Telefone benutzen kann und nur mit anderen Telekom-Kunden telefonieren kann? 1&1-Kunden wiederum müssen ebendort die Telefone kaufen und können von einem solchen Telefon aus nur andere 1&1-Kunden anrufen. Glücklicherweise ist das nicht so — aber warum lassen sich Menschen vom Messenger einsperren?

  • … Email-System, bei dem man mit einem Google-Account nur anderen Google-Nutzern schreiben kann und außerdem die Google-App benutzen muss? Jeder andere Anbieter wäre natürlich auch ein völlig abgeschlossenes System.

Bei Jabber kann man nach Belieben die App tauschen und niemand merkt es. Wenn man den Serverbetreiber wechselt muss man seinen Kontakten nur die neue Adresse mitteilen. Tatsächlich ist es noch so, dass es wenige gute Apps für Android und iOS gibt und nur wenige Betreiber, bei denen man (gegen Geld) einen Account bekommt, aber: das System ist benutzbar und je größer die Zahl der Nutzer ist, desto schneller werden Funktionen verbessert werden, es wird mehr Alternativen geben, weitere Dienstleister werden es anbieten, mehr Menschen werden es benutzen etc. Damit diese positive Spirale in Gang kommt, müssen aber Menschen freie Programme und Dienste benutzen. Es ändert sich nichts, wenn niemand einen Schritt macht!

1. Aber die Telefonnummern werden doch nur verschlüsselt übertragen!

Mag sein, hilft aber nicht.


Letzte Änderung: 21.03.2018 16:47
Jens W. Wulf

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